Güterzuglokomotive Ge 6/6 81, später Ge 4/4 181 zurück auf der Berninastrecke!

Dieses Foto an einer ganz speziellen Stelle hat Ernst Demonti geschossen. Der Standort ist wenige Meter vor dem Portal des Charnadüra-Tunnels. In schwarz-weiss und unter Wegretouchierung des modernen Rollmaterials im Bahnhof St. Moritz ergibt sich eine 'nostalgische Szenerie?  (801-0081-0181-401b)

Nachdem das Bernina-Krokodil 2018 zu Besuch auf der Museumsbahn Blonay-Chamby war, gibt es jetzt einen Gegenbesuch: Zum 25-jährigen Jubiläum des Club1889 schenkte sich der Verein einen besonderen Leckerbissen!

 

Nach zweijähriger Planungszeit ist in enger Zusammenarbeit mit der Museumsbahn Blonay-Chamby (BC) am Genfersee und der Rhätischen Bahn gelungen, Transport und Einsatz der ehemaligen Berninabahnlok «BB 81» von 1916 zu organisieren. Es mussten doch noch ein paar unerwartete grössere technische und administrative Hürden genommen werden - wie das so ist, wenn man die «älteren Damen» auf die Strecke schicken will.

 

Der Einsatz der BB 81 ist eine «Revanche» für den legendären Gastbesuch der 182 am MEGA BERNINA FESTIVAL anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums der BC von 2018. Der BC und der RhB dankt der Club1889 ganz herzlich für die Begeisterung und Unterstützung bei diesem Bernina-Festspiel. Für viele Beteiligte, aber auch für viele Mitglieder, geht damit ein sehr lange gehegter Wunsch in Erfüllung, unser Berninakrokodil 182 sowie die BB 81 einmal gemeinsam am Bernina im Einsatz erleben zu dürfen.

 

Zu Ehren der Westschweizer Kollegen heisst der sonntägliche Zug denn auch «Le Fédéral». Er ist der Zug der vier Schweizer Sprachregionen, die BB 81 fährt auf ihrem Transport und während ihrer Fahrten entlang von mindestens vier Seen, an denen französisch, deutsch, romanisch und italienisch gesprochen wird.

Samstag, 2. Oktober 2021: St. Moritz - Tirano

Mit einem immensen Aufwand aller am Projekt beteiligten Personen ging es dann am Samstag, 2. Oktober 2021 in St. Moritz los! Der historische Triebwagen ABe 4/4 II 46 leistet sicherheitshalber Unterstützung. Man kann die farbliche Komposition durchaus kritisch anschauen, aber ohne wäre es schlicht nicht möglich gewesen. Viele (u.a. ich selbst) genossen die Fahrt im nun auch schon historischen roten Triebwagen.

St. Moritz - Ospizio Bernina - Poschiavo

Mit einem ziemlich heiseren Pfiff aus der 105-jährigen Pfeife der Lok 181 setzte sich die Komposition in Bewegung. Es ging durch den Charnadüra-Tunnel und dem Stazerwald entlang nach Pontresina, wo es die erste Kreuzung abzuwarten galt. Diesen langsamen Zug in den Planverkehr einzubinden, war nicht einfach und bedurfte eine lange Vorausplanung.

Trotz dem bewölkten Himmel zeigt sich die Montebello-Kurve von seiner besten Seite. Die sonst schon zahlreichen Fotografen kriegten an diesem Tag ein besonderes Sujet vor die Linse!

In Bernina Suot gab es bei schönstem Licht einen Fotohalt - so wurde die Zeit für die Überholung des Planzuges genutzt. Auf Ospizio wurde noch ein Gruppenfoto vom Personal geschossen, alle versammelt vor der schönen Lok 181.

 

In Alp Grüm gab es nochmals einen Halt und dann ging es ohne weiteren Zwischenhalt die Südrampe hinunter. An einer sehr schön ausgesuchten Stelle unterhalb Privilasco wurde ein Fotohalt gemacht - der Zug stand in schönem Licht und die Wolken gaben einen schönen Kontrast. Ein wolkenloser Himmel ist zwar auch schön, aber halt ohne Effekte. Bei dieser Gelegenheit konnte ich auch das 'Sorgenkind' fotografieren (Konstruktionsplan siehe hier), den einzigartigen Schlitten für die Magnetbremse mit seinen winzigen Rädern.

Poschiavo - Tirano - Poschiavo

In gemütlichem Tempo und im offenen Aussichtswagen ging es weiter, zuerst durch das Engnis in San Antonio (es gab übrigens einmal ein Projekt zur Verlegung des Trassees) und dann dem Lago di Poschiavo entlang, wo die Bahn in unzähligen Kurven der ehemaligen Berninastrasse folgt.

Nach Miralago wird ein weiterer Eingriff sichtbar: Die Brückenköpfe für die neue Brücke über den Poschiavino werden fertig betoniert. Das heisst wohl bald Abschied nehmen von der schönen Stahlbrücke aus der Bauzeit, die auch als Logo dieser Webseite dient. Gruppenbild auf der Plattform des Aussichtswagens: André (Betreiber dieser Webseite), Fredy Pfister (Präsident Club1889) und Bahnfreak und Freund Alain Hospenthal.

 

Schon bald führt die Strecke auf diesen riesigen und langen Lehnenmauern entlang in Richtung Brusio und über den Kreisviadukt nach Campocologno. An diesem Grenzübergang musste aus versicherungstechnischen (und/oder Zulassungs-Gründen die Lok 181 abgekoppelt werden und der Triebwagen 46 führte den historischen Zug auf der restlichen Reststrecke nach Tirano.

Während der Mittagspause traf auch der 'Nachzügler'-Zug mit dem Berninakrokodil Ge 4/4 182 in Italien ein. Soviel historisches Rollmaterial auf einmal hat Tirano wohl noch nie gesehen - zwei Abstellgeleise waren davon belegt. Gestaffelt gings dann wieder zurück nach Poschiavo.

 

Nicht ohne einen kurzen Fotohalt in Miralago, dem ich das Foto des Tages widme: Unser 'Star des Tages' mit dem spiegelglatten See und der Villa Erica im Hintergrund. Der bewaldete Hügel im Hintergrund ist das Gebiet des Bergsturzes, welcher durch seine Massen vor Jahrtausenden den See gebildet hat. Dessen Seespiegel war ursprünglich so hoch, dass er bis nach Poschiavo reichte.

So fand dann in Poschiavo alles seinen Abschluss, die Züge und die Loks wurden abgestellt und für die einen kam dann bald auch das Tram zurück ins Engadin. Das muss für vom historischen Fahrgefühl verwöhnten Teilnehmenden eine furchtbare Strapaze gewesen sein.

Sonntag, 3. Oktober 2021: Poschiavo - St. Moritz

Poschiavo - Ospizio Bernina

Bei leichtem Nieselregen ging es los mit den nun zusammengekoppelten Zügen: Ge 4/4 81, Ge 4/4 182 und ABe 4/4 46 zogen und schubsten den langen Zug die Bernina-Südrampe hoch. Ist jemals ein so langer historischer Zug hier gefahren? Unterwegs konnte man noch einen kurzen Moment die momentan grösste Baustelle auf der Berninastrecke erhaschen: Der Tunnel Val Varuna I wird bis 2023 komplett saniert - wohl ist eher von einem Neubau zu sprechen, denn das Gewölbe wird signifikant erweitert.

Das mit der Dreifachtraktion hatte übrigens durchaus seine Berechtigung: Die 70 Promille Steigung und engen Radien führen zu einem grossen Rollwiderstand bei den historischen Zweiachsern - und das waren viele! Der TW 46 kam teilweise ans Limit, diese zu ziehen und die zwei alten Damen auch noch etwas zu schieben - so schlug vor und auch nach dem Val Pila Viadukt die Überspannung im TW an und die Schubkraft fiel aus. Mit ein paar Funksprüchen und Handgriffen geriet die Situation rasch wieder in geordnete Bahnen. Ein längerer Fotohalt fand in der Kreuzungsstation Stablini statt, bis alle Fotografen im steilen Gelände einigermassen 'sortiert' waren, dauerte es seine Zeit.

Hier kreuzte - sehr symbolträchtig - der ABB Werbe-Allegra die BBC-Lok 181. Damals, 1916, war die Wahl von BBC als Hersteller der Lok 181 eine totale Fehlentscheidung - mit fatalen Folgen schon bei der Inbetriebnahme. Nach zwölf Jahren durchwursteln wurde dann das Antriebskonzept von den BBC-Konkurrenten MFO/Sécheron geändert.

Die heutige ABB hat mit ihrer Vorgängerin in Bezug auf Rollmaterial nichts mehr zu tun. Der europäische und weltweite Konsolidierungsprozess hat die industriellen Spuren verwischt.

Ospizio Bernina - St. Moritz

In zügiger Fahrt und ohne weiteren Halte fuhr der lange historische Zug durch bis zum Kulminationspunkt der Berninastrecke. Dort trafen wir rasch wechselnde Wetterverhältnisse, Nebel, Nieselregen und kalte Temperaturen an. So gab es paar interessante und sehr unterschiedliche Fotos des Zuges und für das Fahrpersonal eine wohlverdiente Kaffeepause.

Mein "Bild des Tages" machte ich in den dicksten Nebelschwaden, welche rasch und mit Lücken über den See und die Station fegten. In sepia verstärkt sich die Wirkung der historischen Loks noch, finde ich.

Über die bekannte Alp Bondo kamen wir dann zu einem weiteren, etwas längeren Halt in Bernina Suot, um Raum für die Fahrplanzüge zu geben. Beim Stumpen mit den Wagen der RhB Infrastruktur ist noch ein Relikt aus uralten BB-Zeiten sichtbar: Der gekrümmte Hügel im Vordergrund ist das, was vom Fundament der ersten Drehscheibe noch übrig ist. Also noch vor dem Bau der gedeckten Drehscheibe etwas weiter vorne. Der Schacht daneben gehört wohl auch dazu (Wasser für Dampfschneeschleuder).

Bei der Montebello-Kurve zeigte sich der Morteratschgletscher und ein Paar Bergspitzen des Berninamassiv nochmals. Im Pontresina, das gerade einen Grossumbau der Gleisanlage und Fahrleitung erfährt, war dann der letzte Halt vor der Endstation in St. Moritz.

 

Ein grosses Dankeschön den vielen helfenden Personen im Vorder- und Hintergrund. Sie haben uns eine tolle Jubiläumsreise "25 Jahre Club1889" ermöglicht - Hut ab!

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