Wer hat's erfunden? Smartphone-Einsatz schon 1910 bei der Berninabahn!

Alp Grüm, 1.4.2016: Nach unzähligen Recherchen in verschiedenen Archiven hat sich ein schon lange gehegter Verdacht bewahrheitet: Der Bahnmeister der Berninabahn und ein SLM Ingenieur verfügten schon im Winter 1910/11 über Smartphone und Handy!

 

Weshalb drahtlose Kommunikation?

Die Linienführung der Berninabahn war bekanntlich nach Kriterien des Sommerbetriebs gewählt worden. Die im Winter häufigen Stürme von grösster Heftigkeit, die Schneeverwehungen wie auch die zahlreichen Schneerutsche und Lawinenabgänge führten zwangsweise zu einem Konzept der drahtlosen Kommunikation als der Wunsch nach dem Winterbetrieb sich manifestierte.

 

Erste nachgewiesene Versuche im Winter 1910/11

Für den Winterbetrieb war es für die Berninabahn unabdingbar, eine zuverlässige Schneeräumung sicherzustellen. Deshalb wurde im Jahr 1910 die erste Dampfschneeschleuder R 1051 (die heutige X rot d 9213) von der SLM gebaut und in Betrieb genommen. Die ersten Fahrten führten nach Alp Grüm.

Gross war die freudige Anspannung und Aufregung bei den Technikern der SLM und auch beim Bahnpersonal, als die 1051 im Rahmen der Probefahrten erstmals nach Alp Grüm vorstiess.

Glücklicherweise gibt es von diesem Ereignis eine historische Aufnahme (siehe oben): Die frisch abgelieferte Rotary mit noch glänzenden Schleuderschaufeln hat die erste Bewährungsprobe mit Bravour bestanden!

 

Zu einfach wäre es nun, diese über 100-jährige Aufnahme nur nach eisenbahntechnischen Kriterien abzusuchen. Engagierte BB-Historiker wurden jedoch aufmerksam, als sie feststellten, wie typisch doch die Haltung des begleitenden Ingenieurs der SLM ist (Pfeil rechts): Er schaut eindeutig in sein Smartphone. Leichtfertig könnte man zur Meinung kommen, dass dies reiner Zufall ist. Lenkt man die Aufmerksamkeit jedoch auf die Gruppe der Männer links im Bild sticht sofort ins Auge, dass auch der Bahnmeister der Berninabahn über ein mobiles Gerät verfügt und gerade am Telefonieren ist.

 

Leider sind die heute noch zugänglichen Dokumente nur lückenhaft vorhanden, insbesondere fehlen die Unterlagen zu den mobilen Teilen. Sehr interessant wäre zu erfahren, wie mit den damaligen technischen Möglichkeiten der Kontrast bei diesem gleissenden Licht hergestellt wird, auch heute noch ein nicht immer befriedigend gelöstes Thema.

 

 

Backend-Infrastruktur

Etwas mehr Informationen konnten zur Infrastruktur der Übermittlung gefunden werden, in verschiedenen Dossiers waren aufschlussreiche Bilder und Skizzen erhalten geblieben.

Anfänglich war das damals "Teletransmissions-Skelett" genannte Gerät im Freien aufgestellt, gut erkennbar am Bild mit der Schneeschleuder oben, rechts des Schleuderrads (Pfeil Mitte)

 

Doch der doch rauhe Bahnbetrieb und die neugierigen Bahnreisenden die auf ihren Zug warteten setzten der emfindlichen Installation dermassen zu, dass es eines besseren Schutzes bedurfte.

 

So wurde auf Alp Grüm talseitig ein schlichtes Übermittlungs-Gebäude errichtet, um die sensiblen Gerätschaften zu schützen.

 

Das war jedoch nicht der einzige Grund, denn schon damals waren den Technologen die Auswirkungen der Hochfrequenz-Strahlung suspekt: Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit waren die Werte noch bedeutend höher als heute, denn schon nach kurzer Zeit hat sich die Vegetation auf dem Vorplatz soweit zurückgebildet, dass nur noch eine staubige Fläche zurückblieb!

Gut sind übrigens auch die beiden markanten Antennenstangen links und rechts des Häuschens zu erkennen.

Darin war auch der "Dynamische bi-rotale Signalverwirbler" installiert, der mit einem kräftigen Motor angetrieben wurde. Die Justierung soll einen nicht unbeträchtlichen Aufwand mit sich gezogen haben, konnten doch die Spezialisten nicht auf bewährtes Know how zurückgreifen, das auch in den Bergen Bestand hatte. Die Mechanik musste generell noch einen grossen Teil des Leistungsspektrums abdecken, welches heute die Domäne der Mikroelektronik ist.

 

Funktionsweise: Das zu übermittelnde Signal wurde über die beiden Kabel in die Achse des Bi-Rotors eingespeist und mit einem auch aus heutiger Sicht noch raffinierten Lösungsansatz auf die beiden Empfangsstationen verteilt. So wurden die Signale für Poschiavo mittels dem Rotorteil links aussen (am freien Ende der Achse) "verwirbelt" und jene für Pontresina rechts. Eine weitere Empfangsanlage hätte mittels Verlängerung der Achse und Nachrüstung eines weiteren runden Aufsatzes angeschlossen werden können. Davon machte die Berninabahn jedoch keinen Gebrauch.

Das Gegenstück auf der Empfangsseite war dann die Sechsspulige Retransmissions Scheibe (RTS), welche in hoher Drehzahl um die eigene Achse rotierte.

 

Auch hier ist das Konzept des in die Achse eingespeisten Signals erkennbar: Über das Loch in der Mitte werden die Signale an die stationären Empfangs- und Sendeanlage weiter gegeben.

Ein leider unkommentiertes Schema und eine nicht genau zuordenbare Leistungskurve waren den Unterlagen beigelegt. Wir sind zuversichtlich, dass die Industriearchäologen diese bald interpretieren und so den Gesamtzusammenhang herstellen können.

Von der Empfangsanlage in Poschiavo findet sich ein Bauplan des schützenden Gebäudes in den Unterlagen. Deutlich erkennbar ist der sogenannte "Empfangsgraben" zur Kanalisierung der oben beschriebenen "verwirbelten" Gesprächsinformation.

Von der Rückwand, der eigentlichen Schaltzentrale, findet sich eine Ansicht. Leider bleibt die Legende im Moment verschwunden.

 

Gut erkennbar ist die generelle Komplexität und der hohe Verdrahtungsaufwand einerseits und die Telefonmechanik von damals in der Mitte unten. Diese stellte den Übergang auf das öffentliche Telefonnetz und das Bahnnetz sicher.

 

So konnte der SLM Ingenieur im Bild ganz oben mit seiner weit entfernten Firma in Winterthur in Verbindung sein und Hinweise zur Feinregulierung der Dampfschneeschleuder entgegennehmen. Schon damals also in einer Art "real-time"!

Leider gibt es keine Hinweise über den konkreten Einsatz und den weiteren Verbleib der Anlagen.

 

Schon mit dem hier dargelegten Wissensstand darf die Berninabahn auch im Bereich mobiler Kommunikation als Pionierin gewürdigt werden!

 

 

Gerne nehmen wir sachdienliche Anregungen und Kommentare hier entgegen!

 

 

Reaktionen und Kommentare

 

Zum rotierenden Antrieb der Handy-Kommunikation hier eine ergänzende Interpretation.

Der zentrale Generator zur Speisung der Antenne war offenbar als Alexanderson-Alternator (erfunden 1904) ausgeführt. Die Verwendung von zwei Antennenmasten deutet auf eine zweiphasige Abstrahlung hin. Das drehende Strahlungsfeld wird von den passiven Empfängern in den Handys selektiv absorbiert. Die entstehende Feldverzerrung pflanzt sich dann zur Gegenstation durch. Die damalige Lösung konnte sich nicht durchsetzen, weil zum wechselweisen Sprechen die Drehrichtung des Generators und damit des Strahlungsfeldes gewechselt werden musste. Wohl wurde dies verbessert, indem zur Unterdrückung der Laststösse der Antriebsstern nachträglich mit Federn zur Kupplung versehen wurde.

 

Eine Lösung, die später von Westinghouse kopiert wurde. Sie taucht dann bei den Lokomotiven Ae 3/5 von Secheron wieder auf, die eine Lizenz davon nahmen. Dabei wäre mit dem vorliegenden Bild ein neuheitsschädliches Dokument vorgelegen. Offenbar war in Genf der deutschsprachige Originalartikel nicht bekannt, indem damals das Frühdeutsch in der Primarschule noch nicht eingeführt war. Oder müssen wir dies als Beispiel von typischem "Not invented here" einstufen?

 

*****

 

Na endlich, ich hatte euch das schon bei meinem Besuch dort am 01.04.1911 gemailt, aber keinerlei Reaktion. Ihr könnt das auf dem NSA-CH-Server überprüfen lassen, die haben das dann ja auch Top Secret gestellt und der Journaille weitere Veröffentlichungen untersagt.

 

Die Wahrheit kommt eben trotzdem ans Licht! Gratulation allen Wahrheitsliebenden ...

 

*****

 

[....."Empfangsgraben" zur Kanalisierung der oben beschriebenen "verwirbelten" Gesprächsinformation]: jetzt ist mir wenigstens klar warum  im ZUG, BUS oder TRAM so eine Geräuschkulisse herrscht.  

 

*****

 

Aber ist schon witzig. Ich habe vor kurzem für einen 80zigsten Geburtstag Fotos aus den 60zigern aufbereitet.

 

Da gab es eine schöne alte Farbaufnahme mit einem Brezelkäfer und eine junge Frau stand davor und checkte auf dem Smartphone in ihrer Hand ihre neuesten Nachrichten ... sah zumindesg 100% so aus .... vmtl. war es wohl ein Schminkspiegel ....

 

***** 

 

toll zu welchen "wissenschaftlichen" Ergebnissen Dich der 1.April geführt hat ;)

 

*****

 

Schöner Bericht und mit Liebe und Mühe gemacht! Am besten gefällt mir der Verwirbler! Auch Dir einen schönen ersten April! ;-)

 

*****

 

sehr schön Recherchiert!

 

*****

 

 

Bravo für die Idee! Der Reportage hat mir sehr gefallen... :)

 

Lachen macht immer viel Gutes. Einen schönen Tag aus Aigle

 

 

*****

 

Geil! Made my day - my first April 😊

 

Danke dafür, schöös Däägli und en herzliche Gruass und Sargans

 

*****

 

Schönen Gruß zum 1. April und Danke für Deine HP zur BB

 

wo ich immer gerne reinschaue.

Gruss aus Neuwied